STADT AUFMÖBELN
Farbige Lichter als Zeichen des kollektiven Widerstands gegen den geplanten Abriss und die Privatisierung der Wohnanlage © Nik Walker / Image Courtesy: #WeLiveHere 2017 and People Productions
Verortung
Waterloo Public Housing Estate im Stadtteil Waterloo Metro Quarter/Sydney
Zeitraum
seit 2015
Größe
20 Hektar
Akteur*innen
Waterloo Public Housing Action Group (WPHAG), #WeLiveHere2017 - Clare Lewis, Carolina Sorensen, Mary Laumua, Catherine Skipper, Jenny Munro, Jenna Condie, Jamie Madden, Richard Weeks, Vigilanti Pty Ltd – Architects, Mieter*innen des öffentlichen und sozialen Wohnbaus, Migrant*innen- und geflüchtete Menschen, Aborigines und Torres Strait Islander Communities
Besitzverhältnisse
NSW Land Housing Corporation (LAHC)
Rechtliche Rahmenbedingungen
Top-down Stadterneuerungsprozess
Links
www.welivehere2017.com.au
www.instagram.com/welivehere2017
www.vigilanti.com.au
Das Kunstprojekt #WeLiveHere2017 war Teil des anhaltenden Protests gegen den geplanten Abriss von Sozialwohnungen im Stadtteil Waterloo im australischen Sydney. Mit der Ankündigung des Stadterneuerungsprozesses und dem bevorstehenden Verkauf der Grundstücke an private Bauträger im Dezember 2015 drohte die Verdrängung der ansässigen Bevölkerung. Die Mieter*innen begannen sich zu organisieren und bildeten ein Kollektiv: die Waterloo Public Housing Action Group (WPHAG). Mit dem Kunstprojekt #WeLiveHere2017 installierten sie in über 300 Wohnungen der betroffenen zwei Wohntürme bunte LED-Lichter, die in der gesamten Nachbarschaft zu sehen waren, und lenkten so große öffentliche Aufmerksamkeit auf das Grundbedürfnis Wohnen beziehungsweise das Recht auf leistbaren Wohnraum. Das Kunstprojekt wurde im Dokumentarfilm “There Goes our Neighbourhood” von der Filmemacherin Clare Lewis und ihrem Team in Zusammenarbeit mit den Nachbar*innen festgehalten. Erzählt werden die individuellen Geschichten der Bewohner*innen, welche die menschliche Dimension der Misere sichtbar machen. In einer kritischen Phase des Projekts schlossen sich die Architekturschaffenden Eddie Ma und Linseen Lee von Vigilanti mit einem Team aus ehrenamtlichen Expert*innen der WPHAG an, um die Mieter*innen in ihrem Kampf um Wohnraum zu unterstützen. Ergebnisse ihrer Beratungsgespräche und Workshops mit der Community wurden in verschiedenen Publikationen, die Bedürfnisse und Wünsche der Bewohner*innen aufzeigen, zusammengefasst und der Regierung von New South Wales (NSW Government) vorgelegt, um endlich bei einer Überarbeitung des Masterplans für den Stadtteil berücksichtigt zu werden. Die Maßnahmen der WPHAG und andere Aktionen haben vermutlich dazu beigetragen, dass alle Entscheidungen der Regierung bis nach den Wahlen vertagt wurden. Die neue Regierung legte das Projekt auf Eis. Die Ankündigung vom 07. November 2019, dass die Stadtverwaltung von Sydney ab sofort die Zuständigkeit für den geplanten Erneuerungsprozess übernehmen werde, lässt hoffen, dass eine sanftere Aufwertung des Stadtteils stattfinden wird, der die Lebensgrundlagen von derzeitigen und künftigen Bewohner*innen berücksichtigt. Bis heute sind keine konkreten Informationen zur geplanten Sanierung verfügbar.
Fiona © Nik Walker / Image Courtesy: #WeLiveHere 2017 and People Productions
Felix © Nik Walker / Image Courtesy: #WeLiveHere 2017 and People Productions
Henry © Nik Walker / Image Courtesy: #WeLiveHere 2017 and People Productions
Start des Kunstprojekts im September 2017 © Jessica Hromas / Image Courtesy: #WeLiveHere 2017 and People Productions
„Die Lichter sind an, jemand hat hier ein Zuhause!“ © Nik Walker / Image Courtesy: #WeLiveHere 2017 and People Productions
“Es gab im Projekt einige zu erwartende aber auch überraschend schöne und positive Nebeneffekte – vor allem, als die Bewohner*innen der Gebäude erkannten, dass sie Teil eines größeren Ganzen sind. Wenn man es schafft, etwas in diesem Ausmaß umzusetzen, dann kann man auch Grenzen überschreiten. Es war aufregend zu beobachten, wie immer mehr Menschen aus ganz Sydney auf den Wohnkomplex aufmerksam wurden und sich auf einmal für den sozialen Wohnbau stark machten und aufrichtig daran interessiert waren, was da in Waterloo vor sich geht. Als immer mehr Menschen kamen, um Fotos der zwei beleuchteten Wohntürme zu machen, wurde das Kunstprojekt zu einem politischen Akt.“ (Clare Lewis, 25.10.2019)
„Die Stadtregierung kündigt einen Stadterneuerungsprozess an, ohne auf die betroffenen Menschen einzugehen. Sie sieht dabei zu, wie die unsichere Zukunft die Leute in den Wahnsinn treibt. Protestaktionen sind in so einer Situation vorprogrammiert. Wir haben jetzt 2019 und noch immer werden die Leute in der Schwebe gehalten. Es wurde bereits die zweite Beratungsfirma auf das Projekt angesetzt. Noch immer liegt nichts Konkretes auf dem Tisch. Es gab zahlreiche Zeitungsartikel, in denen kritisch über die geplante Stadterneuerung berichtet wurde. Aber die Stadtregierung hat noch immer keine Reaktion gezeigt. Währenddessen erschöpft sich die Energie der Community, um für ihr Anliegen zu kämpfen. Das ist wirklich gefährlich – denn im Grunde leben wir in einer Demokratie: Die Stadtregierung sollte die Interessen der Bürger*innen vertreten. Aber stattdessen lassen sie Zeit vergehen – eine Strategie, um am Ende ihren geplanten Masterplan zu realisieren.“ (Clare Lewis, 25.10.2019)
„Das Problem ist, dass es für die Bewohner*innen keine Möglichkeit zur Mitsprache gab. Das Projekt war nie auf richtige Partizipation angelegt. In der Fachliteratur zu Partizipation liest man überall von Sherry Arnsteins Leiter der Bürger*innenbeteiligung, die aus acht Stufen besteht und von Manipulation, Therapie, Information, Beratung, Beschwichtigung, Zusammenarbeit, Machtübertragung bis zur Bürger*innenermächtigung reicht. Der gesamte Erneuerungsprozess hat jedoch nur die erste Stufe erreicht: also Manipulation. Die Stadtregierung manipuliert die Community, damit sie mit ihren Vorhaben einverstanden sind. Sie sind gar nicht an einer wahren Beteiligung interessiert. Sie informieren uns nicht einmal, was aktuell vor sich geht. In meiner Arbeit mit der Community wollte ich zumindest die Stufe der Zusammenarbeit erreichen. Ich begreife uns als Partner der Community mit dem Ziel, einen gemeinsamen Prozess aufzubauen. Die nächste Stufe der Machtübertragung ist nicht einfach zu erreichen – man muss die Leute dazu bringen, aktiv zu werden und Eigenverantwortung zu übernehmen.“ (Eddie Ma, 28.10.2019)
"Man kann Bewohner*innen in Planungsprozesse besser einbinden, wenn man sie nach Aspekten fragt, die mit ihrem unmittelbaren Lebensalltag zu tun haben. Bei der Frage zur geplanten Gebäudehöhe des Neubaus haben wir zum Beispiel konkrete Gebäude mit einer unterschiedlichen Anzahl an Stockwerken vorgestellt, die Bewohner*innen in der Nähe besichtigen konnten oder mit denen sie vertraut sind. Auf diese Weise war ein konstruktives Gespräch zu dieser Frage möglich. Uns war es wichtig, ein gegenseitiges Vertrauen aufzubauen und zu vermitteln, dass wir unseren Prozess der Beteiligung anders als die Regierung gestalten. Dieser Ansatz war sehr effektiv und die Menschen begegneten uns sofort offener. Wir wollten ihnen keine Worte in den Mund zu legen und nicht als Organisatoren auftreten. Wir haben dies der Community überlassen: Die Aktionsgruppe war diejenige, die die Botschaften verbreitete, sie sprach mit den Menschen. Ich sehe also meine Rolle im Beteiligungsprozess mehr als eine Art Munitionshändler. Ich gebe der Community Kugeln, damit sie mit ihren eigenen Waffen schießen kann.“ (Eddie Ma, 28.10.2019)
„Es gibt kein Rezept für Partizipation, das für alle Situationen gilt. Jede Community ist anders. Jede kommuniziert und bildet ihre soziale Struktur anders. Flexibilität ist also sehr wichtig. Kunst ist oft der Teil, den wir bei der Gestaltung unserer Städte vergessen. Kunst ist für mich so etwas wie der Ausdruck unserer kulturellen und inhärenten Menschlichkeit. Im Architekturstudium spricht man oft von Verschönerung, aber in der Realität wird eigentlich alles, was mit Menschsein, Kunst, der Kultur eines Ortes zu tun hat, ausgeblendet. Deshalb entstehen diese kalten Städte aus Beton und Glas ohne Sinn für die menschliche Dimension. Diese Menschlichkeit versuchen wir wieder in unsere Städte zu bringen.“ (Eddie Ma, 28.10.2019)
„Beteiligung könnte in Stadterneuerungsprozessen institutionalisiert werden. Es ist keine Raketenforschung. Bisher hat es nicht funktioniert, weil die Regierung glaubt, ihre Ziele wären mit der Community nicht vereinbar. Also handeln sie lieber auf eigene Faust und sehen die Community als eine Art Hindernis. In den meisten Fällen wünschen sich die Menschen sogar eine Aufwertung ihres Stadtteils – nur eben auf eine andere Art und Weise. Wenn ich die Regierung beraten würde, wie sie es besser machen könnte, würde ich erstens die Community von Anfang an einbinden – so frühzeitig wie möglich – und zweitens den Verhandlungsspielraum klar ausloten und konkret festlegen, was man zu ändern bereit ist. Es reicht oft schon aus, der Community die Anerkennung zu geben, dass sie sich sinnvoll in den Prozess einbringen kann. Und drittens: Vermeiden Sie Umfragen! Umfragen sind für eine Gemeinschaft eine herablassende Art der Kommunikation.“ (Eddie Ma, 28.10.2019)
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