STADT AUFMÖBELN
Beitrag von Markus Feifel Pargas
© Tilia e.V.
Verortung
Stuttgart, Deutschland
Zeitraum
2019
Akteur*innen
Tilia e.V.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Verein
Finanzierung
Geldspenden, Zuschüsse, ehrenamtliche Arbeit
Links
https://www.wanderbaumallee-stuttgart.de/
Das Projekt Wanderbaumallee, welches durch Tilia e.V. in Stuttgart organisiert wird, hat sich zum Ziel gesetzt, den Straßenraum als Lebensraum neu zu interpretieren. Der Wunsch ist es, die vorhandenen, toten Orte in grüne, belebte Räume zu verwandeln, um das Bewusstsein für nachhaltige Begrünung und kulturelle Vielfalt in Stuttgart zu fördern.
Tilia e.V. ist ein gemeinnütziger Verein aus Stuttgart, der 2019 speziell für das Projekt Wanderbaumallee gegründet wurde. Der Verein versteht sich als offene Plattform und Wissenshub, an der jeder teilnehmen kann. Er nutzt Realexperimente im öffentlichen Raum, um nachhaltige Veränderungen zu bewirken und bietet dabei einen stetigen Erkenntnisgewinn, um Empfehlungen für verschiedene Kontexte zu entwickeln. Ein zentrales Ziel des Vereins ist es, im öffentlichen Raum Orte für Begegnungen zu schaffen, vorzugsweise in begrünten Straßen und Vierteln. Diese Begegnungsräume stärken das soziale Miteinander, fördern das Wohlbefinden und die Resilienz der Anwohner*innen und tragen langfristig zur Identifikation und Verantwortung für den Stadtteil bei.
Diese temporäre Begrünung wird in leeren Bauraum – öffentlicher Parkplätze aufgestellt, um diese in kleine Pärke zu wandeln. Bei den temporären Oasen wird nicht nur das Klima in der Stadt, sondern auch das Nachbarschaftsgefühl positiv angeregt und eine nachhaltige Begrünung der Stadt initiiert.
Das Projekt macht deutlich, dass städtische Gebiete mehr grüne Flächen und mehr Orte der Interaktion und des Engagements benötigen. Die Wanderbaumallee ermöglicht es den Menschen mit einfachen Mitteln, ihre Straßen zurückzuerobern, Gemeinschaft und Nachhaltigkeit zu fördern.
Die Initiative zeigt auf, was aus den Straßen durch ihre grüne Gestaltung mit Aktivitäten und Begegnungen getan werden kann. Bewohner*innen werden animiert, am Wandel ihrer Umgebung aktiv teilzunehmen. Der Kontakt durch gemeinsame Pflanzenpflege, Nachbarschaftspicknick oder Straßenfeste wird gestärkt und stärkt den Gemeinschaftsgeist. Die Wanderbaumallee erläutert, wie das langfristige Bepflanzen eines Bereichs das politisch Atmosphärische miteinander ergänzt.
Mobile Module: Die Bäume werden in einer Kombination von Modulen, die eigens aus Seekieferplatten Schubkarren ähnliche Sitzgruppen hergestellt, platziert. Diese dienen zum einen als Pflanzbehälter, zum anderen als Sitzgelegenheiten.
Kooperationen: In enger Zusammenarbeit mit Stadtbewohner*innen und Initiativen der Bezirke werden auch von der Bundesstadtverwaltung Genehmigungen für die temporäre Nutzung öffentlicher Flächen im Vorfeld eingeholt.
Finanzierung und Unterstützung: Durch Geldspenden, Zuschüsse und ehrenamtliche Arbeit werden die Kosten niedrig gehalten. Ein Baum kostet zwischen 50 und 300 Euro, ein Modul etwa 300 Euro.
Langfristige Effekte: Die Bäume werden für die nächste Saison in festen vom Senat zugewiesenen Standorten gesetzt.
Aktivitäten und Teilnahme: Die Wanderbaumallee wird von einer aktiven Nachbarschaft unterstützt, die nicht nur bei der Pflege der Pflanzen hilft, sondern auch mehrere Aktivitäten rund um die Bäume organisiert. Straßenfeste, Workshops, Tanzkurse oder Kinderveranstaltungen tragen zur Aktivierung des öffentlichen Raums bei. Öffentlichkeitsarbeit, soziale Medien und Pressearbeit helfen, die Idee in andere Städte zu tragen. Die Module der Wanderbaumallee sind jetzt in ca. 20 Städten weltweit.
Wie können wir Städte grüner und lebenswerter gestalten? Die Wanderbaumallee, ein Projekt des Tilia e.V., bringt temporär mobile Bäume in die Straßen Stuttgarts. Doch wie entstand diese Idee, und welche Wirkung hat sie? Darüber spricht Jusus Martinez, einer der Initiatoren des Projekts.
Von Parklets zur Wanderbaumallee – Der Weg zur mobilen Begrünung der Stadt
Die Idee begann 2016 mit einem Pilotprojekt zu Parklets – temporären Erweiterungen von Gehsteigen auf ehemaligen Parkflächen. In Zusammenarbeit mit der Stadt Stuttgart und der Universität Stuttgart wurden zehn dieser urbanen Interventionen getestet.
„Ich war damals Student und lernte im Rahmen dieses Projekts andere engagierte Menschen kennen. Doch da es ein Studierendenprojekt war, gab es keine Perspektive für eine langfristige Fortführung. Also beschlossen wir, die Idee weiterzuentwickeln: Wir wollten nicht nur Parklets bauen, sondern sie in ein soziales Experiment verwandeln“, erzählt Jesus Martinez.
So entstand Casa Schützenplatz (2016–2022), eine Initiative im Stuttgarter Kernerviertel, die den öffentlichen Raum mit einfachen Mitteln neu definierte. Das Parklet, ein offenes Wohnzimmer mit Satteldach in leuchtendem Blau, belegte zwei Parkplätze und wurde schnell zu einem lebendigen Treffpunkt. Mit Sitzgelegenheiten, einer Bibliothek und regelmäßig stattfindenden Brunches entwickelte sich Casa Schützenplatz zu einem Ort des Austauschs und der Nachbarschaftsaktivierung.
Da die Stadt Stuttgart bereits eine Umgestaltung des Platzes plante, aber keine konkreten Maßnahmen ergriff, nahmen die Anwohner*innen die Entwicklung selbst in die Hand. Sie organisierten Workshops, informelle Gespräche und Aktionen, um den Platz als Experimentierfläche zu nutzen und nachhaltige Gestaltungsideen zu erproben. Im Rahmen des Projekts „Nachbarschaft selbstgemacht“ wurde der Platz 2019 erweitert – mit Hochbeeten, mobilen Bäumen, Sitzmöglichkeiten und einem Schachbrett.
Trotz der auf sechs Monate begrenzten Genehmigungen blieb Casa Schützenplatz über fünf Jahre hinweg aktiv. Der Verein Casa Schützenplatz e.V. übernahm die Verantwortung und sicherte den Übergang von einer universitären Initiative zu einem nachbarschaftlichen Projekt. Erst 2022 wurde der Platz baulich neugestaltet – inspiriert von den zuvor gesammelten Ideen der Anwohner*innen. Doch eine Herausforderung blieb: „Die Genehmigungen waren immer befristet. Das zwang uns, über flexible und mobile Lösungen nachzudenken“, so Martinez. Schnell wurde klar, dass es nicht nur um Sitzgelegenheiten und Aufenthaltsqualität ging – es fehlte das Grün. So entstand die nächste Idee: Mobile Bäume, die durch die Stadt wandern und temporär neue, grüne Räume schaffen.
Aus dieser Überlegung entwickelte sich die Wanderbaumallee, ein Projekt, das seit 2019 mit Bäumen auf Rädern durch die Stadt zieht. Die mobilen Bäume schaffen nicht nur Aufenthaltsqualität, sondern regen die Menschen dazu an, sich aktiv für eine nachhaltigere Stadtgestaltung einzusetzen.
Seit 2019 zieht die Wanderbaumallee als festlicher Karavan durch Stuttgart und wechselt in der Sommersaison zwischen Mai und September vier- bis fünfmal den Standort. Die transportierbaren Bäume auf Rädern verwandeln Straßen in grüne Oasen, schaffen Begegnungsräume und regen zum Nachdenken über die Gestaltung des öffentlichen Raums an.
„Wir haben uns gefragt: Wie bringen wir mehr Grün in die Stadt, ohne auf langwierige Pflanzgenehmigungen angewiesen zu sein? Die Lösung waren Bäume auf Rädern – flexibel einsetzbar und einfach zu bewegen“, erklärt Martinez.
Wie nehmen die Stuttgarter*innen das Projekt in ihrer Nachbarschaft wahr?
„Das ist sehr unterschiedlich, je nach Stadtviertel. Natürlich gibt es immer Beschwerden – meist von Menschen, die ihren Parkplatz verlieren. Sie wenden sich ans Ordnungsamt oder die Bezirksbeiräte. Aber auf der anderen Seite gibt es weitaus mehr positive Rückmeldungen“, sagt Martinez.
Besonders spannend ist die veränderte Wahrnehmung: „Am Anfang reagieren viele zurückhaltend. Doch wenn die Bäume wieder verschwinden, merken sie plötzlich, wie sehr ihnen das Grün fehlt. Manche schreiben uns dann oder setzen sich aktiv für dauerhafte Begrünung ein.“
Die Wanderbaumallee schafft Orte des Verweilens, die in der Stadt sonst oft fehlen. Leute setzen sich. Nehmen sich eine Auszeit. Entschleunigen. Anwohner*innen erzählen, wie sich die Anonymität der Straße verändert – Menschen kommen ins Gespräch, lernen ihre Nachbar*innen kennen, halten länger dort an, lesen ein Buch oder treffen Bekannte. Kinder nutzen den Platz zum Spielen, tauschen Panini-Bilder oder erfinden neue Spiele zwischen den mobilen Bäumen. Die Wanderbaumallee wird so zu einem sozialen Treffpunkt – ein Ort irgendwo zwischen Park und Zuhause.
Die Wirkung der Wanderbaumallee geht über das Soziale hinaus: Die Bäume beeinflussen das Mikroklima der Stadt positiv. Sie spenden Schatten, verbessern die Luftqualität und tragen zur Kühlung auf versiegelten Flächen bei. Untersuchungen des Instituts für Landschaftsplanung und Ökologie der Universität Stuttgart bestätigen, dass selbst temporäre Begrünung das städtische Klima messbar beeinflusst.
Wie Jesus Martinez, einer der Gründer des Vereins, erklärt: „Als Privatpersonen können wir keine Fördermittel beantragen oder offizielle Genehmigungen einholen. Ein Verein bietet eine rechtliche Grundlage und ermöglicht es uns, langfristig zu arbeiten.“ Tilia e.V. fungiert nicht nur als organisatorische Plattform für solche Initiativen, sondern ermöglicht auch die Beantragung von Fördermitteln und die Einholung offizieller Genehmigungen – Voraussetzungen, die als Privatpersonen nicht möglich gewesen wären. Das Team von Tilia e.V. besteht aus rund 20 Mitgliedern, wobei ein harter Kern von sechs Personen die tägliche Arbeit organisiert, während andere das Projekt durch finanzielle Unterstützung und bei Veranstaltungen mitwirken.
„Das war anfangs unsere Idee – dass die Bäume, die mit uns wandern, später in der Stadt bleiben. Aber das ist schwierig, weil Städte mit anderen Maßstäben arbeiten. Unsere Bäume sind oft zu jung oder nicht geeignet für dauerhafte Pflanzungen“, erklärt Martinez. Stattdessen versteht sich die Wanderbaumallee als Impulsgeber für eine langfristige Stadtbegrünung: „Wir zeigen den Menschen, wie ihre Straße mit mehr Grün aussehen könnte. Dann können sie sich selbst für eine dauerhafte Lösung einsetzen.“
Mehr als nur mobile Bäume
Die Wanderbaumallee ist weit mehr als ein Begrünungsprojekt – sie ist ein Werkzeug zur Veränderung der Stadt. Während einige den Verlust von Parkplätzen kritisieren, entdecken andere eine neue Lebensqualität in ihrer Nachbarschaft. Besonders sichtbar wird dies bei der Zeremonie der Baumwanderung, wenn die mobilen Bäume gemeinsam mit Anwohner*innen durch die Straßen zum neuen Standort bewegt werden. Begleitet von Musik, Gesprächen und spontanen Begegnungen entsteht eine lebendige Atmosphäre. Am finalen Standort verwandelt sich die Ankunft in ein kleines Straßenfest, bei dem die neuen grünen Mitbewohner feierlich begrüßt werden. Bei Essen, Getränken und gemeinsamen Aktivitäten entwickelt sich ein lebendiger Austausch, und die Bäume werden als dauerhafter Teil des Viertels gefeiert. „Unser Ziel ist es, die Menschen zu ermutigen, aktiv an der Gestaltung ihrer Stadt mitzuwirken. Denn Stadtplanung sollte nicht nur von oben kommen, sondern von den Menschen vor Ort“, fasst Martinez zusammen.
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