STADT AUFMÖBELN
Aktionsforschung von Lucie Urban
Verortung
Heldenplatz, 1010 Wien und Karlsplatz, 1010/1040 Wien
Zeitraum
Jänner 2025
Teilnehmer*innen
anonym
Sie verwenden Stadtmöbel zum Jausnen oder Leute treffen, manchmal für eine kurze Pause. Durch kreativere Herangehensweisen sehen sie Stadtmobiliar aber auch als multifunktionale Objekte und fühlen sich von ihnen zu dem ein oder anderen Trick eingeladen. Grund dafür, ist „die oft gute Höhe von Sitzmöbeln." In diesem Beitrag soll es um Skateboarder*innen gehen. Durch Aktionsforschung – in Form von Interviews und kognitive Mappings – nähern wir uns etwas ihrer Sicht auf die Architektur des öffentlichen Raumes an.
Das Skateboard spielt dabei als Bewegungsapparats-Verlängerung eine zentrale Rolle. Nicht nur als Transitmittel sondern besonders auch als eigenes Leseinstrument des urbanen Raumes.
„Der (sub)kulturellen Praxis Skateboarding haftet im ö;entlichen wie spezifischen
Diskurs, also in massenmedialer Darstellung und in den Selbstbeschreibungen
praktizierender Skater, das Image einer rebellischen, widerständigen Subkultur an.
Euphorisch (oder empört) wird von Selbstermächtigung, Willensbildung,
Raumaneignung, Flexibilität, Nonkonformismus und Individualität gesprochen, wird
Skateboarding in kulturindustriellen Produkten als Chi;re für einen rebellischen
Charakter gebraucht oder in Zeitungsartikeln gar mit gewalttätigem Aufstand gegen das
Bestehende in Verbindung gebracht (Schweer 2014, S. 7f.).“
Nachdem Skater*innen eine Stadt auf eigene Art wahrnehmen und meist
Stadtinfrastruktur auf individuelle Weise zweckentfremden, könnte man behaupten sie
„lesen“ nicht nur aktiv ihre Umgebung, sondern „schreiben“ sich auch aktiv durch ihre
Praxis in den Raum hinein (Ebda. S.36).
Kognitive Karten subjektiver Stadterfahrung
Um sich von diesem subjektiven Erfassen und Empfinden ein Bild machen zu können, wurden zwei Personen im Alter von 22 und 27 gefragt eine kognitive Karte unter Berücksichtigung folgender Angabe zu erstellen: „Stelle dir einen Ort in Wien vor an den du zum Skaten gehst und zeichne eine ganz simple Karte, es geht um keine korrekte Kartierung. Ohne der Hilfe einer bereits existierenden Karte skizziere die für dich wichtigsten Gegenstände, Gebäude, Dinge,
Straßen, was auch immer, aus dem Gedächtnis. Wähle für dich selbst die Grenzen deiner Karte, deines Ortes. Es gibt kein richtig oder falsch.“ Nach der Erstellung der Mental Maps wurden noch Interviewfragen beantwortet.

Heldenplatz
Wie bewegst du dich im Alltag durch den öBentlichen Raum?
Zum Großteil öffentlich, meistens U-Bahn und Bus. Wenn ich mich wohin bewege, wo ein Fußweg von über 10 Minuten nötig ist, nehme ich dafür das Skateboard mit, damit ich schneller bin.
Wie lange skatest du schon?
Seit ca. 15 Jahren.
Wieso hast du dir den Heldenplatz ausgesucht?
Ich habe mir den Heldenplatz ausgesucht, weil ich dort am regelmäßigsten skaten gehe.
Erklär mir kurz deine Karte.
Ich habe die Karte mit einem Fokus auf den Eingangsbereich des Weltmuseums gezeichnet, weil dort für mich und meine Freunde ein Treffpunkt ist. Die Stufen dort eignen sich gut, um zu sitzen und die Sachen (Rucksäcke, Handys, etc..) an der Mauer sicher abzulegen. Die Stufen und der Gehsteig sind auch der zentrale Punkt des Skatens, da diese aus einem harten stein gebaut sind, der stabil ist und gut für Grinds und Slides rutscht. Die Stufen dort eignen sich auch gut zum Sitzen, verweilen, quatschen, weil sie so ausgerichtet sind, dass man über den ganzen Nachmittag bis zum Abend an der Sonne sitzen kann. Der Heldenplatz ist außerdem gut aus allen Ecken der Stadt erreichbar, da er sehr zentral gelegen ist und unzählige Öffis dort zusammengeführt werden. Ein weiterer Bonuspunkt für den Heldenplatz ist auch die große Asphalt Fläche und verhältnismäßig guter Bodenbelag zum Skaten. Man kann sehr schnell skaten und hat Bewegungsfreiheit und wenige Irritationen, bis auf wenige Passant*innen, die beim Vorbeigehen nicht auf Skater achten.





Steinstufen zum „Grinden"
Wie sucht man sich einen Street-Skate-Spot aus? Nach welchen Kriterien?
Die Kriterien sind unterschiedlich, je nachdem ob man Street skaten geht, um einfach nicht in einen Skatepark gehen zu müssen oder ob man zum filmen Street skaten geht. Aber ich würde sagen, wenn man Street skaten geht, um zu vermeiden in einem Skatepark zu skaten, ist der Bodenbelag des Orts sehr wichtig und dass es wenige Irritationen gibt. Das heißt ein Street Spot ist gut, wenn es wenig Auto- bzw. Fahrrad- oder Fußgängerverkehr gibt. Einen Street Spot zeichnet es auch aus, dass man dort eine Art Hindernis (obstacle) vorfindet, welches man in den umliegenden Skaterparks nicht vorfinden kann. Es ist auch wichtig einen Ort zum Skaten zu erschließen bzw. kreativ auszuschöpfen, das heißt es ist attraktiv sich eine Idee einfallen zu lassen, wie man Stadt Architektur oder Möbel zum beskaten verwenden kann. Die Ästhetik des Spots und die herumliegende Möglichkeit dort zu verweilen und Zeit mit Freunden zu verbringen ist auch wichtig.
Warum wird teilweise der öffentliche Raum einem Skatepark bevorzugt?
In Skaterparks ist es oft platzmäßig eng, wenn zu viele Leute dort sind. in Skaterparks sind auch gewisse Verhaltensweisen bzw. die Art und Weise wie man skatet oder welche Tricks man macht sehr prädestiniert. ist man oft in einem bestimmten skatepark läuft man Gefahr eine Art Betriebsblindheit zu entwickeln und immer dieselben Tricks zu machen, was einfach mit der Zeit langweilig wird. oft befinden sich auch Kinder in Skaterparks die unvorhersehbaren Fahrweisen haben und das kann zu gefährlichen Situationen und Kollisionen führen.
Man hört oft im Zusammenhang mit skaten im öffentlichen Raum, den Begriff „Raumaneignung“. Was bedeutet Aneignung für dich?
Ich finde, dass Street skaten im Sinne der Raumaneignung gar nicht so richtig Aneignung ist. Also man verdrängt dort eigentlich meistens niemanden. oft wird einfach ein Teil der Stadt für eine performative Praktik verwendet, wo sonst nicht viel passiert, außer dass jemand dort sitzt und wartet oder vorbeigeht. Viele Orte zum Street skaten werden von anderen Leuten eigentlich gar nicht beachtet und haben für die meisten Leute keine wirkliche Bedeutung. Mehr Raumaneignung findet auf jeden Fall statt, wenn auf brachen Flächen Leute DIY Skaterparks bauen, wie auf der Freifläche in St.Marx. Dort sind fast jeden Tag Leute die unterschiedliche Praktiken vollziehen. Der Raum wird dort physisch verändert. Bei Spots wie dem heldenplatz gibt es nicht so viele wiederholende Praktiken. Der Spot ist auch nicht so frequentiert besucht wie der Skatepark in St.Marx.
Siehst du einen Zusammenhang zwischen der Bewegung durch den öffentlichen Raum mit einem Skateboard und der Theorie des Drifting (dérive) der Situationistischen Internationalen?
Ich finde es gibt große zusammenhänge, da skaten Leute zusammenbringt und man viele Leute kennenlernt. Durch die Praktik des Skatens und deren kreative Performativität entstehen Situationen, die Leute begeistern, egal ob sie selbst skaten oder nicht. Es gibt auch viele Intra kulturelle Verhaltensweisen beim Skaten. Es gibt ungeschrieben Regeln und eben vieles, was man internalisiert. Gewisse tricks sind Standards, gewisse Spots werden standardmäßig geskatet. Man kann das aber auch überkommen und Spots anders skaten als es die meisten machen, dadurch entstehen immer neue Praktiken, die die Lust am Skaten erhalten.
Wie siehst du die Zukunft des Street Skatens in Wien? Glaubst du die Orte, die für dich aktuell bedeutend sind, werden sich ändern?
Ich glaube Street skaten in Wien hat sicher eine gute Zukunft, da die Stadt wächst und viel gebaut wird. Fürs Skaten ist das zumindest positiv. Mir kommt auch vor, dass sich die Art und Weise was Standard beim Skaten ist auch stetig weiterentwickelt und immer neue weisen entstehen, wie man bestimmte Architektur skatet. Ich glaube der Kanon an Tricks und Möglichkeiten wird größer und dadurch auch die Möglichkeiten des Street Skatens. Ich vergleiche skaten gerne mit Tanz oder Akrobatik. für mich ist es interessant, wie ästhetisch oder spannend gewisse Bewegungen aussehen oder wie lustig sie sich anfühlen. Gewisse Tricks, die nicht anspruchsvoll sind, können sich einfach vom Gefühl her witziger oder spannender anfühlen als waghalsige, schnelle, anspruchsvolle tricks. Es fühlen sich auch viele Materialien, die man skaten kann, anders an. ich finde zum Beispiel stein Spots, die in der Stadt zu finden sind vom Gefühl her interessanter zu skaten als die Materialien, die man in Skaterparks skaten kann. Für mich fühlt sich zum Beispiel Beton nicht gut an, wird also viel aus Beton in der Stadt gebaut, würde es mich nerven. Deswegen kann ich abschließend sagen, dass ich die Zukunft vom Street skaten deutlich in der Materialität der Stadt Architektur sehe und hoffe, dass viel öffentlicher Raum mit hochwertigen Materialien gebaut wird.

Karlsplatz
Wie bewegst du dich im Alltag durch den öBentlichen Raum?
Ich bewege mich im Winter meist zu Fuß oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, im Sommer so gut und oft wie möglich mit dem Skateboard. Im Winter ist die Fortbewegung mit dem Skateboard durch die gestreuten Kieselsteine und das Salz stark eingeschränkt.
Wie lange skatest du schon?
Ich skate seit ca. 7 Jahren.
Wieso hast du dir den Karlsplatz ausgesucht?
Den Karlsplatz habe ich ausgesucht, weil es neben einem Skatespot für unsere Community auch ein sozialer und kultureller Treffpunkt für viele andere ist und ich es immer sehr schön finde Zeit auf solch vielseitigen Plätzen zu verbringen.
Erklär mir kurz deine Karte.
Ich habe probiert einen Ausschnitt vom Platz darzustellen, an dem mehrere Skate Spots zu sehen sind. In dem Bereich sind Beton-Plattformen die oft als Sitzgelegenheit genutzt werden. Aus den Augen eines Skateboard-Fahrers ist hier viel mehr zu sehen als nur eine Sitzmöglichkeit. Die Außengrenzen des Brunnens die zu sehen sind eignen sich auch um verschiedenste Tricks zu üben. Auch die Mülltonne am Ende der Beton-Plattformen hat eine große Relevanz, ein Trick darüber sieht auf Video extrem gut aus.
Wie sucht man sich einen Street-Skate-Spot aus? Nach welchen Kriterien?
Das wird individuell nach Vorlieben entschieden. Jeder Skater hat andere Tricks auf Lager und andere Vorlieben. Ich persönlich lege Wert auf einen guten Boden und vielleicht Stufen die man runterspringen kann oder etwas wie die bereits erwähnte Mülltonne zum drüber springen.
Warum wird teilweise der öffentliche Raum einem Skatepark bevorzugt?
Weil es ein Treffpunkt vieler sozialen und kulturellen Gruppen ist und das Skaten im öffentlichen Raum ein Gefühl von Gemeinschaft vermittelt.



Man hört oft im Zusammenhang mit skaten im öffentlichen Raum, den Begriff „Raumaneignung“. Was bedeutet Aneignung für dich?
Grundsätzlich das man einen Raum für sich beansprucht. Ich hätte aber noch nie erlebt, dass Skater einen Raum so stark beanspruchen, das kein anderweitiger Aufenthalt in der Nähe möglich wäre.
Siehst du einen Zusammenhang zwischen der Bewegung durch den öBentlichen
Raum mit einem Skateboard und der Theorie des Drifting (dérive) der Situationistischen Internationalen?
Ganz bestimmt sogar. Oft fährt man mit dem Skateboard einfach durch die Straßen und entdeckt aus dem nichts einen neuen Spot. Seitdem ich Skate habe ich einen ganz anderen Blick auf viele Dinge und nehme Plätze ganz anders wahr.
Wie siehst du die Zukunft des Street Skatens in Wien? Glaubst du die Orte, die für dich aktuell bedeutend sind, werden sich ändern?
Ich hoffe nicht. Es ist aber ein andauernder Kampf, Street Spots nicht zu verlieren. Oft gibt es Anrainer, die damit nicht klarkommen und dann die Polizei kontaktieren. Ich bin mir aber sicher das im Laufe der Zeit auch viele neue Street Spots entstehen werden.
„,Skateboarders are more interested in the surface and shape of the architecture than
the actual use of it.‘ (Bäckström 2007: 155) (Schweer 2014,. S. 34)“
Quellen:
McDonough, T. (2009): The Situationists and the City. London, New York: Verso.
O’Rourke, K. (2016): Walking and Mapping. Artists as Cartographers.
Massachusetts: THE MIT PRESS.
Schweer, S. (2014): Skateboarding. Zwischen urbaner Rebellion und neoliberalem
Selbstentwurf. Bielefeld: transcript Verlag.
Alle Fotos (c) Lucie Urban.
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