STADT AUFMÖBELN
Der neu gestaltete Fritzi-Massary-Park soll der Nachbarschaft als Mikro-Zentrum dienen.
Verortung
Fritzi-Massary-Park, 1020 Wien
Zeitraum
2020-2022
Projektleitung und Konzept
Martin Färber und Christina Schraml
Planung und Ausführung
Martin Färber, asphalt-kollektiv (Natascha Peinsipp/Felix Steinhoff) und Maria Kanzler
Projektsupport
Brigitte Felderer und Stefan Wiltschegg (Social Design), Ursula Dominikus, Margit Grassinger, Martin Hanousek, Martina
Lapusch, Michael Schilcher, Maximilian Stadler (MA 42), Andrea Kreppenhofer und Erich Streichsbier (MA 19)
Visuelle Kommunikation & Dokumentation
Maria Kanzler (Graphik), Herwig Turk (Foto), Anna Vasof (Video), Stefan Wiltschegg (Foto)
Umsetzung und Bauteam
asphalt-kollektiv, Catalin Betz, Martin Färber, Paulina Flores de la Torre, Julian Jankovic, Evgeniia Kozlova, Thomas Maleprade, Natascha Peinsipp, David Scheßl, Fabio Spink, Raphael Volkmer, Michalina Zadykowicz und Werkstätten der Universität für angewandte Kunst Wien
Workshop Team
Catalin Betz, Martin Färber, Paulina Flores de la Torre, Sabrina Haas, Evgeniia Kozlova, Jan Krek, Laura Mann, Jelena Maschke, Lena Michalik, Christina Schraml, Fabio Spink, Orest Yaremchuk, Michalina Zadykowicz
Kooperationspartner*innen
Anwohner*innen, Bassena Stuwerviertel, Bollinger+Grohman, Bücherei Engerthstraße, Haanl Seile, Haus Prater, Julian Jankovic, Moser Spielgeräte, Precious Plastic Vienna, Schlosserei Siegl, SimZim Landschaftsarchitektur, Wienerberger Österreich, wohnpartner Engerthstraße
Finanzierung
Das Projekt wurde durch die Bezirksverwaltung Leopoldstadt und die beiden Magistratsabteilungen MA42 und MA19 unterstützt.
Ein Park mit Potential
Gemeinsam mit Bewohner*innen arbeitete das Social Design Studio an der Neugestaltung einer Parkanlage im zweiten Wiener Gemeindebezirk. Die Umgestaltung basiert auf den Prinzipien der Bürger*innenbeteiligung wie der Kreislaufwirtschaft und hinterfragt lineare Routinen in der Gestaltung des öffentlichen Raums. Durch das Aufspüren und Nutzbarmachen (bisher) unbeachteter Ressourcen der Stadt, demonstriert das Projekt Re-Sourcing Commons einen skalierbaren und (international) übertragbaren Ansatz zu einer (im-)materiell kreislauffähigen Stadt.
Die (bei Projektstart noch namenlose) Parkanlage befindet sich ent- lang der Offenbachgasse in einer Nachbarschaft zwischen Wiener Prater und Donau im zweiten Wiener Gemeindebezirk. Im Stadt- teil, der eine hohe Dichte an sozialen Großwohnanlagen aufweist, leben überdurchschnittlich viele Kinder, Jugendliche und Menschen über 65. Eine Studie der Abteilung Social Design aus dem Jahr 2017 – die unter Beteiligung vieler Bewohner*innen den Stadtteil künst- lerisch-forschend analysiert hatte – zeigte, dass die wohnungsnahen Freiräume zu wenig Aufenthalts- und Zentrumsqualität (Möglich- keitsraum für Begegnung, Bespielung, Austausch u.ä.) bieten und auch trotz des hohen Bedarfs an Sozialräumen im Stadtteil kaum genutzt werden. Als möglicher Hebel zur Verbesserung der Chancen auf Nah- erholung und zur Förderung von Nachbarschaft und Zusammenleben wurden u.a. die Schaffung von neuem Stadtmobiliar und von Räumen mit Zentrumscharakter unter Einbindung der Bewohner*innenschaft identifiziert. (vgl. Schraml, Färber, Kohlmayr, Plášková und Valencic 2017; Schraml 2018)
Im weiterführenden Projekt „Stadt aufmöbeln - eine Plattform zur Erforschung unentdeckter Möglichkeiten von Stadtmobiliar“ (2021; unterstützt durch MA 19 - Architektur und Stadtgestaltung) wurden schließlich – unter spezieller Berücksichtigung der zuvor definierten Zielgruppen (vorwiegend junge und ältere Menschen) – die Poten- tiale von Stadtmobiliar, Beteiligungsprozessen sowie ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltiger Stadtgestaltung ausgelotet. Par- allel dazu wurde in Zusammenarbeit mit den Wiener Stadtgärten und dem zweiten Wiener Gemeindebezirk das Realisierungsprojekt Re-Sourcing Commons aufgesetzt, um die gewonnenen Erkennt- nisse im Zuge bereits geplanter Sanierungsarbeiten im Park gemein- sam mit Bewohner*innen umzusetzen.
Handelskai 214 / Altbestand Karlheinz-Hora-Hof
Die Wohnstrukturen im Stadtteil zeichnen sich durch ihre relativ dicht besiedelte, monofunktionale Nutzung aus, die sich in namenlosen Großwohnsiedlungen konzentriert.
Altbestand Parkanlage Offenbachgasse
Begehung des vorderen Teils der Parkanlage im Jahr 2018.
Kollektiver Umgestaltungsprozess
Als Grundlage für die bauliche Neugestaltung des Parks diente ein ergebnisoffener, niedrigschwelliger Partizipationsprozess. Bewoh- ner*innen des Stadtteils und lokale Initiativen und Organisationen wurden eingeladen, sich an der Umgestaltung des Parks zu beteiligen.
Im Herbst 2020 konnten Anrainer*innen in mehreren öffentlichen Workshops zur Erarbeitung eines Nutzungskonzepts beitragen und ihre Vorstellungen, Kritikpunkte und Wünsche vor Ort einbringen. Wie soll der Park in Zukunft genutzt werden? Was sind Bedürfnisse und Anforderungen von Alt und Jung? Dabei wurde der Wunsch der Bewohner*innen nach einem lebendigen Mikro-Zentrum für die Nachbarschaft – ein Park, der für alle nutzbar sein soll und Raum für gemeinschaftliche Aktivitäten bietet – deutlich. Besonders viel Zuspruch erhielten die Optionen nach neuen Plätzen zum Verweilen und Spielen, die Möglichkeiten Ressourcen zu teilen und zu tauschen sowie die Möglichkeit gemeinsam Musik zu erleben. Die gesammelten Ideen wurden verdichtet und in ein Nutzungskonzept sowie Möbel- entwürfe übersetzt, um erneut mit Bewohner*innen öffentlich disku- tiert und verfeinert zu werden.
Die Ergebnisse aus dem Beteiligungsprozess bestimmten schließlich die Auswahl der Parkmöblierung, die auf die konkreten Nutzer*in- nenbedürfnisse reagiert. So wurde etwa eine „Wiener Schaukel” (Hollywoodschaukel) umgesetzt, die dem Wunsch nach einem spie- lerischen Stadtmobiliar für ältere Menschen nachkommt. Die Umge- staltung trägt so zu einer vernetzten und resilienten Nachbarschaft bei. In Anlehnung an eine agonistische Planungstheorie, die Konflikte als immanenten Bestandteil einer pluralistischen Demokratie und dementsprechend als Motor für gesellschaftlichen Wandel begreift, bildete ein soziokratischer Prozess die Grundlage für die Verdichtung der Ideenvielfalt. Eine Soziokratie sucht nicht nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner, auf den sich alle Beteiligten einigen können. Entscheidungen werden vielmehr gefällt, wenn niemand dagegen ist, nicht wenn alle dafür sind. Zustimmung und nicht die Beseitigung aller Zweifel und Unterschiede ist die gemeinsame Basis der Entschei- dungsfindung.
Der Entwurf wurde bei einer zweiten Workshopserie erneut vor Ort zur öffentlichen Diskussion gestellt und nachjustiert. Das endgültige Nutzungskonzept spiegelt diese kollektive Vision wider.
Kreislaufwirtschaft in der Stadtgestaltung
Städtische Abfälle sind hauptsächlich auf den Bausektor zurückzu- führen. Während der Schonung knapper Ressourcen bei der Errich- tung von neuen Gebäuden immer mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird, scheint die Kreislauffähigkeit bei der Gestaltung des öffentli- chen Raums noch kaum beachtet. Das Projekt betrachtet die Stadt als Rohstoffquelle und aktiviert bisher ungenutzte Potentiale einer Kreislaufwirtschaft am Beispiel des Wiener Stadtmobiliars.
Ein Teil der für die Neugestaltung verwendeten Materialien stammt aus dem ehemaligen Mobiliar des Parks, das von den Bewohner*in- nen wenig benutzt wurde. Alle Materialien, die zuvor im Park verbaut waren bzw. zur Verfügung standen („in-situ“) – eine bestehende Sitzgruppe, historische Ziegelsteine, Granitblöcke, Stahlzäune, Pflanzen, Erdaushub – wurden im Umgestaltungskonzept berück- sichtigt, neu kombiniert, wiederverwendet oder, wenn nicht anders möglich, vor Ort recycelt.
Darüber hinaus greift das Projekt in der Stadt Wien verfügbare „Abfallteile“ – die wegen mangelnder Langlebigkeit, Reparierbarkeit, Trennbarkeit beziehungsweise Flexibilität in großen Mengen zur Entsorgung anfallen – als wertvolle Ressource auf und führt sie in einen Verwertungskreislauf zurück. Zu diesen „ex-situ“ Materialien zählen: (ausrangierte) Stahlrohre und Holzlatten des Standard-Park- mobiliars aus den Material- und Abfalllagern der Stadt Wien, Kunst- stoffabfälle aus örtlichen Chemielabors – die in Zusammenarbeit mit Precious Plastic Vienna und dem Künstler Julian Jankovic zu neuen Möbelplatten recycelt wurden – und Ton der Wienerberger Ziegel- werke, der mit den beim Rückbau der Altbestand-Sitzgruppe zu Bruch gegangenen Ziegelsteinen vermengt, gebrannt und als Recyc- lingziegel wieder eingesetzt wurde.
Indem das Projekt wienweit Materialien – allen voran das Stahlrohr ausrangierter Standard-Parkbänke – identifiziert, die derzeit große Mengen an Abfall erzeugen, stellt es nicht-nachhaltige Routinen der Wiener Stadtgestaltung in Frage und zeigt kreislauffähige Alterna- tiven auf.
Der Rückbau der alten, teils verfallenen Sitzgruppe erfolgte mit größter Sorgfalt – alle in-situ Elemente – verbaute Stahlzäune, Pflanzen, historische Ziegelsteine und Granitblöcke – wurden (teilweise in abgewandelter Form) wieder vor Ort eingesetzt.
Ausrangierte Stahlrohre alter Wiener Parkbänke dienen als Hauptelemente für neue, modulare Stadtmöbel.
Kunststoffabfälle aus Wiener Labors wurden zu neuen Möbelplatten recycelt.
Ziegelbruch wurde mit Ton vermengt, neu gebrannt und als Pflasterung wieder im Park eingesetzt.
Die Stadt als „Rohstoffquelle“
Sind Stadtmöbel kaputt, werden ihre Bestandteile nicht wiederver- wendet. Sie landen als Wegwerfprodukte auf dem Müllplatz. Re- Sourcing Commons stellt diese Praxis in Frage und lebt vor, wie in der Gestaltung öffentlicher Räume Abfall vermieden oder zumindest minimiert werden kann.
Das Projekt zeigt am Beispiel des Wiener Stahlrohrmobiliars, wie Einzelteile langlebig eingesetzt werden können und erweitert die (fle- xible) Anwend- und Austauschbarkeit durch einen modularen Ansatz – ohne dabei auf soziale Ansprüche, Funktionalität, Nutzbarkeit und Ästhetik zu verzichten. Durch einfache Verbindungsteile können einzelne Komponenten vielfältig zusammengesetzt werden. Es ent- steht ein erweiterbares Repertoire an Stadtmobiliar – flexibel, langle- big, reparier- und wiederverwendbar – das von der Stadtverwaltung unter Rücksichtnahme bestehender Sicherheitsbestimmungen im öffentlichen Raum kostengünstig eingesetzt und gewartet werden kann. Das Mobiliar zelebriert die Geschichte und Identität der Mate- rialien und kann auf ortsspezifische, sich ändernde Anforderungen an den öffentlichen Raum reagieren. Eine stetige Erweiterung der Sammlung durch Entwürfe anderer Designer*innen, Planer*innen, Architekt*innen sowie Stadtbewohner*innen ist geplant.
Die Stadt wird zur unerschöpflichen Quelle von Rohstoffen, aus der sie sich selbst erneuern kann – sie wird zu einem Ersatzteillager für den öffentlichen Raum und sein Mobiliar.
Ex-Situ: In Wien und anderen Städten landen bauliche Elemente des öffentlichen Raums meist als Abfallprodukte auf der Deponie, etwa das Standardmodell der Wiener Grünanlagen: die Stahlrohr Parkbank, die momentan noch irreversibel eingebaut wird. Ihre Bestandteile bilden jedoch wertvolle Ressourcen für eine kontinuierliche Erneuerung des öffentlichen Raums.
Das Stahlrohr der Standard-Tische und -Bänke wird im Projekt als modulares Element neu und langlebig gedacht. Die neue Möbelserie ist eine spielerische Erweiterung der Formensprache der in Wien gängigen Standard-Parkbank.
Das neue Parkmobiliar
Ausgehend von einem erweiterten Verständnis von Stadtmöblierung berücksichtigt das Projekt die spezifischen Bedürfnisse verschie- dener Nutzer*innengruppen und versucht, den sozialen Austausch durch die bauliche wie durch „unsichtbare“ (immaterielle) Gestal- tung anzuregen. Die neuen Typologien, die im Rahmen des Projekts modellhaft umgesetzt wurden, gehen über übliche Parkmöbel hin- aus. Sie schaffen soziale Infrastruktur, etwa Raum zum Verweilen, Raum für (generationenübergreifende) Begegnung, Raum für Spiel (für Jung und Alt), Raum für Musik, Raum zum Tauschen und Teilen sowie Raum für flexible Bespielungen durch Anrainer*innen. Indem Ressourcen und Fähigkeiten mit Hilfe der Möbelstücke geteilt wer- den können, fördern sie auf lokaler Ebene Begegnung, Austausch und Vernetzung unter Nachbar*innen und tragen so zu einer resilienten Nachbarschaft bei.
Zu den neu geschaffenen Möbeln gehören: ein offenes Tauschregal, eine Roller- und Fahrradreparaturstation, eine öffentliche Anschlag- tafel (Schwarzes Brett), verschiedene neue Verweilmöglichkeiten (Sitz- und Liegeplattform, bodennahe Sitzgruppe), ein Smartphone- Verstärker für Musik, eine „Wiener Schaukel“ (Hollywoodschaukel) und Hängesitze. Zudem wurde die bestehende Sitzgruppe in ihrer Funktion erweitert beziehungsweise an Anforderungen bestimmter Nutzer*innengruppen angepasst. So entstand etwa eine Sitzgruppe, die nun auch von Menschen mit eingeschränkter Mobilität mit Rolla- tor oder Rollstuhl genutzt werden kann.
Die neuen Möbel und ihre Position, die in Abstimmung mit Anrainer:innen festgelegt wurden.
Offenes Tauschregal
Durch nachhaltiges Stadtmobiliar und eine gemeinschaftliche Aktivierung soll die Parkanlage zum neuen Mikro-Zentrum des Stadtteils werden.
Der Park als Mikro-Zentrum
Um ein lebendiges Zentrum für und mit der Nachbarschaft zu schaf- fen setzt das Projekt auf die behutsame Aktivierung von (im-)mate- riellen Ressourcen – allen voran die Bewohner*innen selbst, die sich aktiv in die Mitgestaltung ihres unmittelbaren Wohnumfeldes ein- bringen. Mitgestaltung und Aneignung der Nachbarschaft stärken die Identifikation der Menschen mit ihrer Umgebung und damit die gemeinschaftliche Fürsorge für die Stadt und zugleich andere Bewohner*innen. Angefangen vom Beteiligungsverfahren über die Umsetzung des neuen Nutzungskonzepts bis hin zu zukünftigen Bespielungen der Parkanlage wurden die Bewohner*innen angeregt, über ihr Wohnumfeld und ihre eigene Rolle in der (Mit-)Gestaltung zu reflektieren.
Der Bedarf an nachbarschaftlichen Aktivitäten wurde im Prozess deutlich – der Park soll ein lebendiges Mikro-Zentrum für den Stadt- teil sein und durch (temporäre) Aktivitäten zur Förderung der Auf- enthalts- und Erlebnisqualität und der Gemeinschaft beitragen. Durch die Einbindung und Vernetzung von Anrainer*innen, lokalen Initiativen, Organisationen (Jugendzentrum, Senior*innenwohn- heim, Gemeinwesenarbeiter*innen im sozialen Wohnbau, Stadtteil- bücherei) entstand ein generationenübergreifendes Netzwerk, das eine rege Nutzung des Parks auch in Zukunft sicherstellt. Erste Ideen für gemeinschaftliche Aktivitäten in der Parkanlage wurden bereits beim und mit dem Auftakt umgesetzt: ein Nachbarschaftsfest anläss- lich der Wiedereröffnung der Parkanlage im April 2022.
Das Projekt geht über eine rein physische Umgestaltung der Park- anlage hinaus. Es aktiviert das soziale Gefüge und bündelt (soziale) Fähigkeiten und Wissen. Die Menschen werden als Expert*innen ihres Lebensumfeldes erkannt – in ihnen stecken unzählige Hand- lungsmöglichkeiten. Sie stellen damit die wichtigste Ressource resi- lienter Städte dar.
Programmhighlights beim Nachbarschaftsfest: Spielangebote für Kinder und Jugendliche, Rad- und Rollerreparatur Service, Auftritt des Wiener Gemeindebau-Chors, Handarbeitsmarkt von und mit Senior*innen, Kreativer Mitmach-Workshop, Schachturnier, Einweihung des neuen offenen Tauschregals.
(Im-)materielle Nachhaltigkeit
Seit Jahren sind Kreislaufwirtschaft und Partizipation in aller Munde. Viele europäische Städte beschäftigen sich zunehmend mit möglichen Strategien, diesen Dringlichkeiten nachzukommen. Doch sobald es um konkrete Umsetzungen geht, fehlt es an Erfahrung: Recycling ist wohl im allgemeinen Bewusstsein der Bevölkerung angekommen, aber die Vermeidung, Minimierung und Wiederver- wendbarkeit von „Abfall“ bleibt noch weitgehend theoretisch; auch Partizipation geht selten über eine Überschrift hinaus. Zudem ver- nachlässigen viele der propagierten Ansätze zu einer materiellen Nachhaltigkeit jegliche soziale Dimension. Re-Sourcing Commons versucht beide Aspekte auf dem Weg zu einer kreislauffähigen Stadt zu berücksichtigen und zeigt, wie eine sozial nachhaltige, ressour- censchonende Mitgestaltung des öffentlichen Raums gelingen kann – ohne dabei auf Funktionalität, Vielfalt und Ästhetik verzichten zu müssen.
Im laufenden Austausch mit der Stadtverwaltung wurde auch bedacht, wie die Parkanlage nach dem Pilotprojekt mit geringem Aufwand und hoher Rentabilität gewartet aber auch das Konzept an sich in gängige Verwaltungsprozesse integriert, ausgeweitet und weiterentwickelt werden kann. Es ist gelungen, ein erstes Umden- ken bei den Behörden anzustoßen – Lücken im derzeitigen Kreislauf wurden identifiziert und praxistaugliche Lösungen aufgezeigt. Als nächster Schritt wird die Verknüpfung mit entsprechenden rechtli- chen Rahmenbedingungen angestrebt – eine Verankerung der Her- angehensweise in Bauplänen für Standardmobiliar und Leitbildern der Stadtgestaltung.
Die „gelebte“ Parkanlage demonstriert, dass ein sorgfältiger Umgang mit (im-)materiellen Ressourcen die Grundvoraussetzung für eine soziale und damit kreislauffähige Stadt bildet. Durch das erweiterte Verständnis von Stadtmobiliar – über rein strukturelle Elemente hinaus – gelingt es Re-Sourcing Commons auf die gesamte Nachbarschaft einzuwirken, indem es zu einem kollektiven Sorge- tragen für die Stadt anregt. Bewohner*innen, lokale Akteur*innen und Expert*innen wurden laufend beteiligt, ein generationsüber- greifendes Netzwerk geschaffen und eine Aktivierung des Raumes initiiert. Das Projekt fördert damit Ermächtigung, Inklusion und die Identifikation der Bewohner*innen mit ihrer Nachbarschaft. So ist es auf lokaler Ebene gelungen, einen Beitrag zu einer sozial zirku- lären und damit widerstandsfähigen Gemeinschaft zu leisten, etwa durch Möbelstücke, die eine gemeinsame Nutzung von Ressourcen und Fähigkeiten anregen, z.B. durch das öffentliche Schwarze Brett oder das offene Tauschregal.
Eine Aktivierung von Bewohner*innen trägt zur Verbundenheit und gemeinsamen Fürsorge für die Nachbarschaft bei.
Skalierbarkeit und Übertragbarkeit
Unsere Gesellschaft unterliegt dem Diktat des fortwährenden Wirt- schaftswachstums, was dazu geführt hat, dass die Belastbarkeit unseres Planeten an seine Grenzen gestoßen ist. Das Projekt Re- Sourcing Commons thematisiert die Dringlichkeit von Degrowth und setzt sich für einen sorgsamen Umgang mit (im-)materiellen Ressourcen ein. Es spürt bisher übersehene beziehungsweise (noch) ungenutzte Ressourcen in der Stadt auf, minimiert Materialver- brauch und demonstriert, wie soziale Nachhaltigkeit im Zusammen- hang mit Stadtmobiliar gelebt werden kann.
Der Ansatz fördert resiliente Nachbarschaften. Das neue Mikro-Zen- trum dient als wichtige soziale Infrastruktur und stärkt den Zusam- menhalt der Bürger*innen: durch die Möglichkeit zur Teilhabe, die Vernetzung von Nachbar*innen und Initiativen, die Aktivierung und Aneignung von Raum. Eine gut vernetzte Stadtgesellschaft trotzt nicht nur den zunehmend spürbaren Auswirkungen der Klimakrise, sie fördert zudem (psychische) Gesundheit und Wohlbefinden, gleicht Ungleichheiten aus und stärkt Solidarität (vgl. Klinenberg 2020).
Das Projekt hinterfragt nicht-nachhaltige Standards in den Routi- nen von Stadtgestaltung. Das Experimentieren diesseits etablierter Abläufe stieß bei den Behörden zunächst auf wenig Gegenliebe. So konnte ein offenes und prozesshaftes Konzept zur Umgestaltung – das eine kontinuierliche, organische Veränderung durch kollek- tive Aneignungsformate vorgesehen hätte – nicht realisiert werden. Solche sozial verträglichen und zirkulären Ansätze sind noch nicht in der Verwaltungspraxis angekommen, wohl auch, weil die Ergebnisof- fenheit (noch) zurückschrecken lässt. Dennoch ist es dem so umge- setzten Projekt gelungen, neue Sichtweisen anzustoßen.
Das Projekt verfolgt einen Open-Source-Ansatz. Die einzelnen Umsetzungsschritte sind transparent, zugänglich und erweiterbar.
Der gesamte Prozess basiert auf der Aktivierung, dem Austausch und der Bündelung von lokalem und internationalem Wissen – sei es durch die kontinuierliche Präsenz vor Ort oder über die Online- Plattform stadtaufmoebeln.uni-ak.ac.at. Das Projekt überschrei- tet damit konventionelle Grenzen von Urheberschaft und stellt sich gegen eine Stadtgestaltung, die von oben nach unten handelt und entscheidet. Jede Stadt verfügt über Ressourcen, die sie noch nicht als solche erkannt hat. Re-Sourcing Commons kann bei der Erschlie- ßung lokaler (im-)materieller Ressourcen als Inspiration dienen. Eine wachsende Open-Source-Plattform soll für weitere potenzielle Anwendungsbereiche, Designkonzepte sowie den Austausch zwi- schen Städten geschaffen werden, die das Wissen der Vielen aktiviert und gewonnene Erkenntnisse für andere „Stadtmacher*innen“, Bür- ger*innen und Behörden zugänglich macht. Weitere Potentiale des öffentlichen Raums in Hinblick auf (im-)materielle Nachhaltigkeit sollen erkundet und zukunftsfähige Materialkreisläufe in anderen Städten initiiert werden.
Durch seine Übertragbarkeit lebt das Projekt vor, wie ungenutzte Ressourcen aufgespürt und für die Gestaltung von (sozial) nachhaltigen öffentlichen Räumen (re-) aktiviert werden können.
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