STADT AUFMÖBELN
STADT AUFMÖBELNLargo Bartolomeo Perestrello © orizzontale
Verortung
Largo Bartolomeo Perestrello in Rom/Italien
Zeitraum
Juli bis Oktober 2017
Größe
1750 m² (Platz), Eisberg 15 × 9 m
Akteur*innen
orizzontale (Projektleitung), Noeo, Itinerant Office, Bezirksverwaltung Roma 5, Nachbar*innen, Theaterschule STAP Brancaccio, gemeinnützige Organisationen: Associazione Culturale Alice nel Paese della Marranella, ASINITAS Onlus, CEMEA del Mezzogiorno Onlus
Rechtliche Rahmenbedingung
Die Kunstinstallation Iceberg wurde für das New Generations Festival 2017 “Architects vs Rest of the World” realisiert.
Finanzierung
Das New Generations Festival 2017 wurde durch Estate Romana (Kulturelles Sommerprogramm in Rom) gefördert.
Anfang der 2000er Jahre wurde unter dem Platz Largo Bartolomeo Perestrello in Rom, der offiziell keinen Namen trägt, eine Tiefgarage errichtet. Die Fläche über der Tiefgarage war für viele Jahre eine überwucherte, abgetrennte Brache. Pläne, den Platz in ein Marktgelände zu verwandeln, wurden nie umgesetzt. Heute ist Largo Bartolomeo Perestrello eine Freifläche mitten in der Stadt. Sie wird von der Bevölkerung vor allem für sportliche Aktivitäten und Feierlichkeiten genutzt. Allerdings verfügt der Platz über keinerlei Infrastruktur und es fehlt daher an Aufenthaltsmöglichkeiten für die lokale Bevölkerung. Das Team von orizzontale begann sich im Jahr 2010 intensiv mit dem Platz zu beschäftigen, mit dem Ziel ihn stärker ins Bewusstsein der Menschen zu rücken. Nach zwei temporären Aktivierungsprojekten (work watching im Jahr 2010 und Perestrello in festa im Jahr 2011) kehrten sie 2017 im Zuge des New Generations Festivals zum Platz zurück, um ein Minimum an öffentlicher Infrastruktur zu errichten. Gemeinsam mit einer Sozialpsychologin wurden im Sommer lokale Organisationen zu ihren Vorstellungen zum Platz befragt, die in den Entwurf von zwei architektonischen Sitzelementen flossen. Im September 2017 errichtete das Projektteam gemeinsam mit zwanzig Studierenden zwei Bauelemente, die an einen Eisberg erinnern: eine Tribüne aus Holz (etwa 25 m²), die die Spitze eines Eisbergs symbolisiert, und eine Tisch-Sitz-Gruppe (etwa 6 m²). Beide Elemente sind durch eine Bodenmarkierung visuell miteinander verbunden und sollen in ihrer Offenheit möglichst viele verschiedene Nutzungsmöglichkeiten zulassen. Der Eisberg steht für alle unsichtbaren Ressourcen und Synergien im Stadtviertel, ausgehend von der Erkenntnis dessen, was vorhanden ist, und dem Versuch, lokale Energien freizusetzen. Die Installation kann unbürokratisch von unterschiedlichen Gruppen und lokalen Organisationen für Veranstaltungen oder als Treffpunkt genutzt werden. Nach dem Festival wollte das Team von orizzontale den Eisberg an die öffentliche Hand zur Weiterführung übergeben, jedoch weigerte sich die Stadt Haftung zu übernehmen, weil die Installation nicht die gängigen Normen von Stadtmobiliar erfüllt. Deshalb wurde die Skulptur nach Abschluss des Festivals demontiert. Auf das „Schmelzen“ des Eisbergs wies das Projektteam mit Postern hin. Von der Installation blieb nur die Farbmarkierung am Boden. 2019 kehrte orizzontale auf den Platz zurück, um mit dem Nachfolgeprojekt L’Argo – Perestrello 4.0 den Diskurs um die Reaktivierung von vergessenen Räumen weiterzuführen.
Pigneto ist ein multikultureller Stadtteil, traditionell ein Einwanderer- und Arbeiter*innenbezirk, der noch immer mit damit verbundenen Stereotypen zu kämpfen hat. Zahlreiche ansässige kulturelle Initiativen geben dem Bezirk seine eigene Identität.
Die Besitzverhältnisse des namenlosen Platzes sind äußert undurchsichtig. Aktuell gibt es keinen offiziellen Eigentümer und auch die Stadtverwaltung fühlt sich nicht für den Platz zuständig. Deshalb wird die Fläche derzeit nicht von der Stadt sondern von Anrainer*innen gereinigt.
Die Errichtung der Eisberg-Installation war mit einem offenen Workshop verbunden, in dem Studierende und Expert*innen aus Architektur, Design, Kunst und Psychologie gemeinsam mit der Bevölkerung über die Zukunft des Platzes diskutierten.
Für die Platzierung der Eisberg-Infrastruktur wurde bewusst der Rand des Platzes gewählt, damit die Menschen, die den Platz bereits zuvor für Spiele und Sport genutzt haben, noch ausreichend Fläche vorfinden.
Im Rahmen des Festivals wurde der Eisberg als Kunstinstallation realisiert. Strikte Normen und Regeln für Stadtmobiliar machen es allerdings schwierig, nicht-standardisierte Infrastruktur wie den Eisberg dauerhaft im öffentlichen Raum zu platzieren. Trotz seines Mehrwerts für die Nachbarschaft musste der Eisberg wieder abgebaut werden.
Die Installation wurde zwar für die Eröffnungsveranstaltung des New Generations Festival 2017 genutzt, diente aber vor allem als Veranstaltungsort für verschiedene Aktivitäten von lokalen Vereinen.
Re-Use Gedanke: Nach der Demontage des Eisbergs wurde sein Baumaterial weitergegeben, um in anderen Projekten in Rom wiederverwendet zu werden.
“Der Eisberg förderte Beziehungen in der Nachbarschaft. Durch unsere Gespräche fand ein Austausch zwischen Studierenden, Fachleuten und Bürger*innen statt. Es entstand eine Gruppe aus Vertreter*innen der lokalen Initiativen, um neue und bereits existierende Aktivitäten am Platz zu koordinieren. Durch die Anwesenheit des Eisbergs änderte sich das Nutzungsverhalten der Menschen. Ursprünglich saßen die Leute nur an den Rändern des Platzes. Durch den Eisberg entstanden aber neue Sitzmöglichkeiten, etwa zum Zeitunglesen oder für Kinder, um gemeinsam zu spielen. Es entstand ein Verhältnis von Nähe und Austausch. Wir stellen auch Hocker und mobile Fußballtore auf, die relativ fragil sind und eigentlich leicht zu stehlen. Aber niemand nahm sie mit. Stattdessen wurden sie von vielen genutzt, um den Platz zu beleben.“ (Nasrin Mohiti Asli, 20.05.2020)
"Als wir die Installation demontieren mussten, weil die Stadt nicht dafür haften wollte, haben wir Plakate in den Geschäften im Stadtteil verteilt, um die Leute darüber zu informieren, dass der Eisberg schmilzt. Durch unsere Arbeit vor Ort war es gelungen, dass die Menschen den Platz kreativer nutzten und miteinander in Interaktion traten. Sie haben sich um die Installation gekümmert – natürlich nicht alle – aber als kleine Stücke vom Eisberg abgebrochen wurden, behielten manche sogar ein Stück. [...] Das war ein interessanter Prozess. Die Baustelle war nicht abgeriegelt und wir mussten daher beim Abbau den vorbeikommenden Leuten ständig erklären, warum wir den Eisberg auseinandernehmen. [...] Selbst nach unserer Bespielung des Platzes fanden noch einige Veranstaltungen vor Ort statt, denn unser Programm rund um die temporäre Infrastruktur war darauf aufgebaut, lokale Kräfte und Institutionen am Platz zu versammeln und Synergien zu bilden. Sie sind die „Öffentlichkeit“ und können den Platz jederzeit für selbstinitiierte Aktivitäten nutzen. Nicht nur im Sinne des Konsumierens eines Festivalprogramms.“ (Nasrin Mohiti Asli, 20.05.2020)
"Es geht darum, ein Narrativ zu finden und die Menschen schon während des Denk- und Bauprozesses einzubinden. Auch informell, um sie zum Staunen zu bringen und ihnen zu vermitteln, dass es Möglichkeiten gibt, sich einzubringen, einen Raum wahrzunehmen und ihn frei zu nutzen. Aber aktuell unterliegt der öffentliche Raum vielen Vorschriften. Man darf zum Beispiel nicht überall Skateboard fahren oder Fußball spielen. Gerade jetzt in Zeiten von Covid-19 – wo man Abstand zu anderen einhalten soll – gewinnt der öffentliche Raum an Bedeutung. Eine Zeit lang durften wir nur mit triftigem Grund das Haus verlassen, z.B. um zu arbeiten oder einkaufen zu gehen. Er diente eigentlich nur als Transferraum zwischen zwei (halb-)privaten Räumen. Für viele war es eine schwierige Situation, dass sie nicht einfach nur so nach draußen konnten und sie vermissten den öffentlichen Raum. [...] Wenn man jetzt draußen spazieren geht ist es voller Menschen – etwa spielende Kinder oder Menschen, die vielleicht gerade nicht zur Arbeit gehen können oder ihren Arbeitsplatz in der Krise verloren haben [...]. Sie nehmen sich etwas zurück, was sie vorher gar nicht richtig geschätzt haben. Wir betrachten diese Entwicklung und sagen, dass man jetzt erst recht am öffentlichen Raum arbeiten muss. Denn es gibt noch so viele Themen, die behandelt werden müssen: Es geht um den Klimawandel, wie wir Menschen zusammenbringen, wie wir in Städten leben, wie sich unsere Gesellschaft organisiert, etc. Und wo ist der Ort, an dem man am besten über solche Dinge verhandelt? Es ist der öffentliche Raum. Es geht also nicht nur darum, Möbel zu bauen, sondern auch darum, Werkzeuge zur Demonstration und Selbstorganisation zu entwickeln.“ (Nasrin Mohiti Asli, 20.05.2020)
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