STADT AUFMÖBELN
Verortung
1010 Wien
Zeitraum
Mai 2018
Team
Martin Färber, David Grüner/gruener.li, Christina Schraml
Alle Menschen sind gleich? Von wegen! Der Unternehmersohn aus Döbling wird mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit eine bessere Schule besuchen als die Tochter der Krankenschwester aus Simmering. Er wird ein teureres Auto fahren, besser verdienen, weniger oft krank werden, länger leben. Fair ist das nicht. Für manche hängt der Basketballkorb einfach niedriger als für andere. Für manche hat ein Würfel mehr als 21 Augen. Sie spielen Schach mit zwei Damen. Die unfairen Spiele sind eröffnet! Lasst uns Gesellschaft spielen!
Der Spieleparcours „Die unfairen Gesellschaftsspiele“ wurde für das Angewandte Festival 2018 konzipiert. Besucher*innen konnten sich für die Dauer einer Woche am temporär verkehrsberuhigten Oskar-Kokoschka-Platz gegenseitig herausfordern.
Die Disziplinen des Spieleparcours:
Die Kunst des Tischtennis besteht darin, einen Ball so auf die andere Spielhälfte des Tisches zu spielen, dass es dem Gegner nicht mehr möglich ist, ihn zu retournieren. Du rackerst dich ab, läufst hin und her, schwitzt. Du trainierst täglich, während dein Gegner vor dem Fernseher sitzt. Trotzdem gewinnt er jedes Spiel. Die Gründe dafür nicht etwa in Können und Talent zu suchen, sondern schlicht und einfach darin, dass die Spielhälfte, die du treffen musst, um ein Vielfaches kleiner ist. Das ist in etwa so, als würde man trotz besserer Ausbildung und Qualifikation schlechter verdienen als der Kollege, dem gerade eine Beförderung angeboten wurde. Du kennst das Gefühl? Dann bist du wahrscheinlich eine Frau. Frauen in Österreich verdienen im Schnitt um 21,5% weniger als ihre männlichen Kollegen.
Jahrelang jeden Cent umgedreht, nie in den Urlaub gefahren, Wasser – statt Bier – getrunken, nach Feierabend noch schwarz auf der Baustelle Fliesen gelegt. Trotzdem muss die Tochter wohl auf das Studium verzichten. Sie noch vier Jahre zu finanzieren, ist nicht drin, die finanzielle Herausforderung ist einfach zu hoch. Dein Chef schickt alle seine Sprösslinge auf die besten Universitäten rund um den Globus. Er nimmt die Hürde ohne jede Anstrengung. Kein Wunder, sie ist ja nicht mal halb so hoch. Doch wenigstens geht es vielen so wie dir. 431.000 Menschen in Österreich sind armutsgefährdet. Dafür geht es einigen wenigen geradezu blendend. Das eine reichste Prozent der Bevölkerung besitzt 40,5 % des gesamten Vermögens.
Der Basketballkorb deines Gegners hängt in schwindelerregenden Höhen, deiner knapp über dem Bodenbelag. Seit einer Stunde versuchst du den gegnerischen Korb zu treffen. Erfolglos. Dein Gegner wirft hingegen Körbe im Minutentakt. Er lässt den Ball einfach durch den Metallring fallen. Dabei bräuchte dein Selbstvertrauen so dringend Punkte. Und deine Lunge ein Röntgen. Der Untersuchungstermin ist in drei Wochen. Könntest du dir eine private Versicherung leisten, hättest du morgen einen Termin. Hilft nichts – alles was dir bleibt, ist warten. Und auf einen Glückstreffer hoffen. Bei jedem Wurf musst du husten. 70% der österreichischen Bevölkerung ist nicht privat versichert.
Dein Vater hat dir einen Beach-Tennis-Schläger gekauft. Er ist so groß wie ein Dessertteller. Der deiner Freundin hat den Umfang eines Klodeckels. Ihr Vater hat Geld, er ist Akademiker, er weiß, dass man mit einem größeren Schläger auch besser trifft. Ihre Schmetterbälle verfehlst du beinahe jedes Mal. Nur mit Glück kannst du hie und da retournieren. Bildung wird vererbt. Kinder von Akademikern erreichen deutlich häufiger einen Hochschulabschluss als jene aus bildungsfernen Haushalten.
Die Türme der feindlichen Festung sind uneinnehmbar. Die Soldaten der Kavallerie schützen sie hoch zu Ross. Flinke Läufer berichten den Generälen von der Lage an der Front. Mächtige Damen befehligen zerstörerische Kanonen. Ihre Gegner: Bauern mit Mistgabeln und Fackeln. In ihrem Feldlager wüten Cholera und Pest. Die Chancen, die Schlacht zu gewinnen, sind ungleich verteilt. Die Schlacht um Wohnraum wird in Wien ähnlich gefochten. Die Chancen zum Zugang zu dem Grundrecht Wohnen sind keinesfalls gleich – der ökonomische Status ist ein wesentlicher Faktor für Lebensqualität und so auch die Größe des Wohnraums.
Du hast genau einen Wurf, dein Gegner zwei. Seine Chance zu gewinnen ist also doppelt so hoch wie deine. Seine Chance auf gute Ausbildung genauso. Er kann kostenlos studieren, du musst die Gebühren abstottern. Wenn er für die Prüfung lernt, bedienst du Gäste in einem Restaurant. Angehörige von Drittstaaten müssen an österreichischen Universitäten 726,72 Euro pro Semester Studiengebühren bezahlen. Österreicher*innen und EU-Bürger*innen nichts.
Das Ziel vor Augen, es sind nur noch wenige Schritte. Plötzlich findest du dich am Start wieder, der beschwerliche Weg beginnt von Neuem. Wieder und wieder. Die Mitspieler sprinten mühelos an dir vorbei. Es ist zum Verzweifeln. Das Spiel heißt “Mensch ärgere dich nicht”. Es könnte auch “Arbeitsmarkt” heißen. Manche Menschen finden in Österreich wesentlich schwerer Arbeit als andere. Eine bessere fachliche Qualifikation als die Konkurrenz nützt oft nichts, wenn man nicht in Österreich geboren wurde. Den meisten Migrant*innen fehlt ein berufliches Netzwerk, sie haben keine Beziehungen, ohne die in einem kleinen Land wie Österreich oft nichts geht. Ihre Wege werden länger. Sie klappern Ämter ab. Ohne Erfolg. Zurück zum Start.
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